DER RÖMISCHE KOMPLEX – Appunti per una Germania – Anagoor
INTERNATIONALE KOPRODUKTION ZWISCHEN DEM THEATER AN DER RUHR UND DER ITALIENISCHEN PERFORMANCEGRUPPE ANAGOOR
Regie: Simone Derai
Nach der Produktion „SOKRATES DER ÜBERLEBENDE / wie die Blätter“, die in der letzten Spielzeit Premiere hatte, war für den 16.01.21 die Premiere der zweiten internationalen Koproduktion, GERMANIA. RÖMISCHER KOMPLEX, zwischen der italienischen Performancegruppe ANAGOOR und dem THEATER AN DER RUHR geplant.
Wir wünschen uns, dass Sie diese Premiere live, mit all Ihren Sinnen, erleben können. Darum haben wir uns entschieden, die Premiere nicht zu streamen, sondern zu warten, bis die Corona-Schutzmaßnahmen die Öffnung des THEATER AN DER RUHR ermöglichen.
Um Ihnen einen Vorgeschmack auf die hoffentlich bald stattfindende Live-Premiere geben zu können, hat der Regisseur Simone Derai mit seinem Team ein Onlineformat, „DER RÖMISCHE KOMPLEX – Appunti per una Germania“, entwickelt, das inhaltlich und ästhetisch GERMANIA. RÖMISCHER KOMPLEX umkreist.
Der Ausgangspunkt beider Projekte ist Tacitus’ ethnographischer Bericht „Germania“, erschienen Ende des ersten Jahrhunderts n.Chr. In seiner Gegenüberstellung des Römischen Reiches mit, aus seiner Sicht, dem Fremden per se, dem Germanen, behauptete Tacitus eine undurchlässige Grenze, die bis heute eine Blaupause für die Erfindung des Fremden ist. Nicht ohne Grund wird dem Text nachgesagt, einer der gefährlichsten unseres Kulturkreises zu sein.
9 n.Chr., so berichtet Tacitus, überschritten drei römische Legionen, angeführt von dem Feldherrn Varus, die Grenze nach Germanien. Ihr Auftrag war es, die rechtsrheinischen Gebiete bis zur Elbe dem Römischen Reich einzuverleiben. Andere Interpreten des historischen Ereignisses gehen davon aus, dass der militärische Aufmarsch weniger der Landgewinnung als vielmehr der Abschreckung der Feinde diente.
Wie auch immer, es kam anders als geplant. Die von Arminius, alias Hermann der Cheruskerfürst, angeführten germanischen Stämme, vernichteten in der Varusschlacht im Teutoburger Wald die römischen Legionen. Dennoch gab Kaiser Augustus seine offensive Expansionspolitik nicht auf. Die verlorenen Legionen wurden ersetzt, und die militärischen Auseinandersetzungen nahmen ihren Lauf.
Macht will vergessen, der Dichter will erinnern. Mit Texten von Durs Grünbein, Antonella Anedda, Frank Bidart und Tacitus im Gepäck begibt sich Simone Derai zurück zum Knochenfeld der Varusschlacht. An den Ort, an dem für ihn die gemischten Gebeine der gefallenen Römer und Germanen von den gemeinsamen Geschicken derer berichten, die damals wie heute Ländergrenzen schützen oder überschreiten.
„DER RÖMISCHE KOMPLEX – Appunti per una Germania“ ist eine poetische Befragung willkürlich gezogener Grenzen und deren Überschreitung. Es ist ein Plädoyer für das Eigene im Fremden und für das Fremde im Eigenen.
ANAGOOR erhielt 2016 den renommierten italienischen Theaterpreis „Premio Rete Critica“. 2018 folgte der Silberne Löwe der 46. Internationalen Theaterbiennale von Venedig.
Foto: Franziska Götzen
Veranstaltung von Theater an der Ruhr